

Tagebucheintrag vom 22.2.2022
Es ist morgens um Viertel nach zwei. Ich bin in Hurghada. Tränen laufen mir übers Gesicht und ich kann mich nicht beruhigen.
Ich habe sie gefunden. Meine Bestimmung, den fehlenden Teil meiner Seele. Ich bin ganz.
Wieso laufen mir die Tränen übers Gesicht? Ich bin vollkommen, ganz! Das war mein lebensveränderndes Ereignis. Ich bin angekommen. Ich bin zuhause.
Im Moment ist es noch unfassbar. Es hat meine Seele, meinen Kern erschüttert. Ich schreibe ein Buch darüber. Es ist meine persönliche Erleuchtung!
Diese Ruhe, die Endlosigkeit diese Weite, so unfassbar! Der Punkt in 20 Metern Tiefe, wenn du sinkst, anstatt aufzutreiben. Ich will ohne Gewichte, ohne nichts dort runter. Ich will frei sein in der endlosen Freiheit.
Rückblickend ist das wohl doch die Umarmung des Meeres gewesen. Die Umarmung der Unendlichkeit. Sie hat mich in ihre Arme genommen, mich willkommen geheissen. Es war die Erfahrung meines Lebens.
Also die allererste Begegnung mit dieser Tiefe war so: Der Stopper war bei 20 Metern unten und meine Instruktorin meinte, ich soll einfach runterschwimmen, wenn es mit dem Druckausgleich klappt. Ich schwamm runter und runter und runter und runter und sah plötzlich diesen gelben Stopper! Ich war so baff! Ich hörte das Klicken meines Karabiners auf dem Stopper und wollte drehen wie geübt. Ich hielt die Leine und merkte, wie ich anstatt nach oben, nach unten gezogen wurde. Nach unten! In dem Moment blickte ich mich um, blickte nach oben, erschrak ab mir selbst, wollte nach Luft schnappen, doch das konnte ich nicht. Ich war 20 Meter unter dem Wasser! Dann setzte- naja, nicht gerade Panik – aber ein Schreck ein und ich strampelte wild nach oben, vergass alles, das ich gelernt hatte, zappelte wie ein Fisch auf dem Trockenen, blickte nach oben anstatt gerade aus.
Meine Instruktorin holte mich irgendwo dort unten ab und begleitete mich nach oben. Mein Schrecken legte sich und ich blickte sie an, wurde ruhiger und kam hoch. Ich hielt mich an der Boje fest und machte meine Recovery breaths. Grinste und wollte jubeln, streckte beide Arme siegessicher in die Höhe – und ging unter. Kam wieder hoch und konnte nur noch lachen. Es war so cool!
Das war sie, meine erste Begegnung mit der Tiefe.
Es ist der Wahnsinn!
Es sieht so aus als hätte ich die Umarmung des Meeres doch gekriegt, ohne es mitzubekommen. Es brauchte eine Weile um sich zu legen, eigentlich tut es das immernoch. Es ist unbeschreiblich, fantastisch, ruhig, tief, endlos.
Beim Heimkommen war ich ruhelos, ich war unruhig und musste mit jemandem reden. Ich rief meine Mama an und es sprudelte nur so wirr aus mir heraus. Ich glaube, ich habe keinen einzigen Satz auf die Reihe gekriegt.
Danke Mama, danke Suzanne.
Ich bin so glücklich wie noch nie in meinem Leben.
Das war die allesverändernde Minute meines Lebens.
Nachtrag: Der Tauchgang hatte 51 Sekunden gedauert und es waren 18.4 Meter.